Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
Europa ist für viele Menschen auf der Welt ein Sehnsuchtsort. Nicht nur, weil wir in Europa wirtschaftlich erfolgreich sind, sondern weil wir in Europa in Freiheit und in Frieden leben, „in Vielfalt geeint“.
Laut des Demokratieindex‘ des Economist leben nur 7,8 Prozent der Menschen in einer vollständigen Demokratie, jedoch 39,4 Prozent in einer Diktatur: Tendenz leider steigend.
Nach Jahrhunderten der Kriege haben wir es in Europa geschafft, zusammenzuwachsen und die europäische Idee mit Leben zu füllen.
In der Präambel unserer Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es:
„Die Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine friedliche Zukunft zu teilen, indem sie sich zu einer immer engeren Union verbinden.
In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.“
Es ist ein Menschenbild, das die Idee von der Freiheit und der Würde des Einzelnen ins Zentrum rückt und unser politisches Handeln und Denken prägt. Wegen dieses gemeinsamen Menschenbildes ist Europa für uns mehr als nur Politik oder Wirtschaft. Es ist Teil unserer Identität, Teil dessen, was wir sind und was uns eint.
In Europa leben mehr als 50 Millionen Menschen, die einer Minderheit angehören. Obwohl die Rechte der Minderheiten zu den Grundwerten der EU gehören, werden sie in der EU nicht ausreichend gefördert und unterstützt. In unserem gemeinsamen Antrag bitten wir daher die Landesregierung, sich auf Bundes- und EU-Ebene einzusetzen, u.a. für eine Kommissarin oder einen Kommissar für nationale Minderheiten, für die Errichtung einer EU-Institution für Regional- und Minderheitensprachen,
für eine effizientere Durchsetzung von Minderheitenrechten in den Nationalstaaten und
die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, z.B. durch die Verstetigung der Interreg-Mittel.
Unser deutsch-dänisches Grenzland kann dabei als Beispiel dienen für ein gutes Miteinander. Denn Minderheitenpolitik ist Friedenspolitik. Und warum dies so wichtig ist, verdeutlichen die Worte unseren Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck, der gestern wie folgt zitiert wurde:
„Wer sich nicht als Teil des Ganzen empfindet, wird sich nicht für das Ganze einsetzen.“
Aber es ist wichtig, dass wir alle uns für Europa einsetzen, für unser demokratisches Miteinander, denn dies wird von Außen wie von Innen bedroht.
Daher freue ich mich sehr, dass wir heute an dieser exponierten Stelle eine große Europadebatte führen.
In den letzten Wochen haben wir alle viel mit Schülerinnen und Schülern über unser Europa und unsere Errungenschaften gesprochen und in diesem Kontext kamen oft auch Fragen zum Nahostkonflikt. Ich habe dann immer die Jugendlichen gebeten, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn im Nahen Osten so kluge Menschen wie unsere europäischen Gründungsmütter und -väter zusammenkämen und beschließen würden, zukünftig gemeinsam zu handeln, enge wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen, Schüleraustausche zu organisieren, Jugendliche z.B. aus dem Iran, dem Libanon, Israel und Saudi-Arabien zusammenzubringen und die Region zu befrieden.
Wie wundervoll wäre das?
Das scheint abwegig? Wir Europäer haben dies auch geschafft! Bereits Ende 1945 schlug Churchill das Konzept der „Vereinigten Staaten von Europa vor“. Robert Schumann stellte 1950 seinen mit Adenauer abgestimmten Plan für eine Zusammenlegung der westdeutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion vor, der zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte.
Gestern, während der Verleihung Demokratiepreis des Landes Schleswig-Holstein an Altbundespräsident Dr. Joachim Gauck, erzählte dieser von dem puren Glück, dass er empfand, als er zum ersten Mal richtig wählen durfte, am 18.03.1990, mit 50 Jahren bei der ersten freien Wahl zur Volkskammer.
Er sprach davon, nie wieder eine Wahl verpasst zu haben und hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für unsere Demokratie.
Am 9. Juni wählen wir das neue europäische Parlament.
Für viele junge Menschen ab 16 Jahren ist es die erste Wahl und für uns alle vielleicht die wichtigste Europawahl seit langem. Denn es geht um nichts Geringeres als die Sicherung unseres Friedens, unserer Freiheit, unseres Wohlstandes und unserer Sicherheit.
Denn: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit!
Es liegt an uns, wie wir in diesem Europa zusammenleben möchten. Deshalb rufen wir gemeinsam über alle Parteigrenzen hinweg alle Bürger des Landes auf, ihr demokratisches Recht, das so viele Menschen auf der Welt auch gerne hätten, zu nutzen und am 9. Juni wählen zu gehen und unsere europäischen Werte mit Leben zu füllen!
Vielen Dank!